Warum muss Fleisch abhängen?
Damit es wirklich genießbar wird, muss man frisch geschlachtetes Rindfleisch bei kühlen Temperaturen „abhängen“. Die Wirkung der jahrhundertealten Metzgertradition ist heute längst durch chemische Erkenntnisse bewiesen. Beim Fleisch abhängen entwickelt sich dabei nicht nur eine zarte Konsistenz, sondern auch der Geschmack.
Frisches Fleisch ist eigentlich ungenießbar
Direkt nach der Schlachtung werden biochemische Prozesse im Fleisch freigesetzt. Durch den fehlenden Sauerstoff tritt die anaerobe Glycogenolyse ein, bei der Glykogen und Glucose abgebaut werden. Dadurch sinkt der pH-Wert auf etwa 5,6. Wenn die Glucose-Vorräte erschöpft sind und kein Adenosintriphosphat (ATP) mehr gebildet werden kann, wird die Muskulatur fest. Das führt zu einer Muskelkontraktion, der Rigor Mortis, die im Volksmund auch Toten- oder Leichenstarre genannt wird. Das Muskelfleisch verhärtet sich dabei durch die geringe Wasserbindung. Würde man das Fleisch in diesem Stadium zubereiten, bliebe am Ende ein zäher bis lederner Lappen mit wenig Geschmack. Erst danach setzen die enzymatischen Prozesse ein, die das Fleisch wieder zart und damit genießbar machen.
Beim Fleisch abhängen entsteht der Geschmack
Fleisch setzt sich hauptsächlich aus Wasser, Proteinen und Fett zusammen. Sie sind eher geschmacksneutral. Beim Fleisch abhängen entstehen aber weitere Stoffe, die als Geschmacksträger wirken. So werden beispielsweise Proteine und Fette gebrochen und in Milchsäuren, Fettsäuren und Salze umgewandelt, die die Geschmacksentwicklung vorantreiben. Bei der Trockenreifung entstehen außerdem freie Aminosäuren, die sehr wichtig für die Aromen-Bildung sind (zum Beispiel den „Buttergeschmack“) sowie der natürliche Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat, der auch beim Trocknen von Pilzen gebildet wird. Um den Geschmack zu intensivieren, braucht das Fleisch Zeit. Daher kann das Fleisch abhängen zur Trockenreifung je nach Tierart (Schwein oder Rind) zwischen 1-8 Wochen dauern.